Banken und Fintechs: Verschmelzen statt Verdrängen - Zwei von drei Kreditinstituten kooperieren, 30 Prozent planen eigenes Start-up

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Die Grenzen zwischen klassischen Banken und Fintechs verschwimmen. Das liegt an einer klaren Strategie, die die Mehrheit der Kreditinstitute verfolgt. 64 Prozent der Banken arbeiten in irgendeiner Form mit einem Fintech zusammen. Mehr als jedes vierte Institut hat ein eigenes Start-up gegründet, 30 Prozent planen eine Fintech-Einheit. Ziel der etablierten Banken ist, disruptive Verdrängungseffekte zu vermeiden. Zudem wollen sie Probleme mit der rückständigen eigenen IT durch das Auslagern von Aufgaben lösen. Das sind Ergebnisse der Studie „Branchenkompass Banking 2018“ von Sopra Steria in Zusammenarbeit mit dem F.A.Z.-Institut.

Viele Banken haben ihre Einstellung gegenüber Start-ups aus dem Finanzsektor in den vergangen zwei Jahren verändert. 2016 sah knapp ein Viertel der Bankentscheider einen Vorteil darin, Fintechs zu kaufen oder ihre Lösungen zu integrieren. 2018 arbeitet die Mehrheit mit einem oder mehreren Fintechs zusammen (30 Prozent), ist finanziell beteiligt (21 Prozent) oder hat selbst ein Start-up gegründet (28 Prozent). „Der technologische Aufholdruck ist groß. Die Banken haben einsehen müssen, dass es zu lange dauert, bis die eigene IT und digitale Innovationen soweit sind, bis sie mit Fintech-Architekturen mithalten können. Deswegen ist eine logische Folge, dass die Branche von Konfrontation auf Kooperation umgeschwenkt ist“, sagt Matthias Frerichs,  Leiter Digital Banking von Sopra Steria.

Fintechs entwickeln gezielt für Banken

Umgekehrt sind Fintechs aufgrund der oftmals fehlenden Banklizenz in vielen Fällen auf die Zusammenarbeit mit etablierten Banken angewiesen – was für beide Seiten Vorteile haben kann. 42 Prozent der Bankentscheider erwarten durch die mit Hilfe von Fintechs vorangetriebene Modernisierung an der Kundenschnittstelle eine Stärkung des eigenen Geschäfts. Einige Fintechs stellen hierfür gezielt ergänzende Technologien und Services für Banken bereit. IDNow, das Personenidentifikationen und Vertragsunterschriften per Videochat anbietet, liefert zum Beispiel mit seinem Angebot einen Baustein in der Wertschöpfungskette der Banken.

Andere Fintech-Unternehmen spezialisieren sich auf Hilfestellung für Banken in puncto Effizienz. Sie verkaufen zusätzliche Dienstleistungen, deren Entwicklung durch die Banken aufgrund der komplexen Unternehmensstrukturen langwierig und aufwendig wäre. Der Anbieter Gini bietet beispielsweise durch seine Services zusätzliche Geschäftsprozesse. Das Start-up extrahiert Daten aus Fotos und Scans. Dadurch können Bankkunden eine im Voraus ausgefüllte Überweisungsmaske im Online Banking verwenden. 47 Prozent der befragten Bankentscheider sehen in der Effizienzsteigerung bei Prozessen und im Backoffice das größte Potenzial einer Zusammenarbeit mit Fintechs.

Gemeinsam gegen GAFA und BAT

Die Coopetition-Strategie bei Banken und Fintechs kommt nicht von ungefähr. Beide Seiten wollen verhindern, dass  ihnen die Tech-Unternehmen aus den USA und aus Fernost Geschäft streitig machen. Mehr als jeder dritte Bankmanager sieht diese Plattformen als Konkurrenz durch ihre wachsende Kundenmacht. Mit Baidu, Alibaba und Tencent (BAT) wollen zudem drei Internetfirmen aus China den Bankenmarkt in Deutschland und Europa aufrollen.

Konkurrenten beim Kundenzugang

Bei aller Zusammenarbeit: Banken und Fintechs bleiben grundsätzlich Wettbewerber, wenn es um den Kontakt zum Kunden geht. Start-ups, die durch kundenzentrierte, preisgünstige Lösungen in direkte Konkurrenz zu etablierten Kreditinstituten treten, suchen häufig Partner aus dem klassischen Banking, die dann lediglich als reiner Infrastrukturanbieter fungieren. Ein Beispiel dafür sind Peer-to-Peer-Kreditvergabeplattformen, die Kredite zwischen Privatpersonen vermitteln und Banken nur noch als Abwickler benötigen. Hier verlieren die klassischen Finanzinstitute den Kundenzugang. Auxmoney behauptet sich erfolgreich mit diesem Geschäftsmodell. Aber auch Paypal reduziert die Bank auf eine Rolle als reiner Abwickler.

„Banken sind gefordert, Ausrichtung und Geschäftsmodell zu schärfen. Die Beteiligungen an mehreren kleinen statt großen Fintechs sowie Neugründungen eigener Start-ups wie im Juni die Code Factory der DKB Bank deuten darauf hin, dass viele Banken auf ein Verschmelzen setzen, um sich langfristig als Tech-Bank oder Internetplattform mit Banklizenz aufzustellen“, sagt Matthias Frerichs von Sopra Steria.

Über die Studie:

Im Frühjahr 2018 führte das Marktforschungsinstitut Research Now im Auftrag von Sopra Steria und dem F.A.Z-Institut eine Befragung von 109 Fach- und Führungskräften von Banken mit Bilanzsummen über 500 Millionen Euro durch. Als Befragungsmethode wurde CAWI (Computer Assisted Web Interviewing) eingesetzt. Teil der Studienergebnisse sind zudem vier vertiefende Interviews mit Entscheidern aus Banken und Sparkassen, dazugehörigen IT-Unternehmen sowie mit Stefan Lamprecht, Mitglied der Geschäftsleitung von Sopra Steria, über Einschätzungen und Standpunkte zur Lage und Zukunft der Bankenbranche.

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