Resilienz – nur defensiv, entlang von Krisen zu denken, ist gefährlich

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Geht Ihr Unternehmen oder Ihre Behörde gestärkt aus dieser Pandemie hervor? Falls ja, befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Falls nein, auch. Denn auf diese Frage für unsere Studie Potenzialanalyse Resilienz gibt es in unserer Berufsgruppe unterschiedliche Antworten. Geteilter Auffassung sind Managerinnen und Manager auch bei der Frage, ob Resilienz als strategisches Thema noch wichtiger wird. Viele sind sich sicher, bereits gut auf Krisen vorbereitet zu sein, Instrumente zu besitzen, die Folgen einer raschen Abfolge von unerwarteten Ereignissen abmildern, und sich anpassen zu können.

Der Fokus der meisten Resilienz-Strategien liegt heute auf der Reaktion und dem scharfen Blick auf die nächste heraufziehende Krise. Acht von zehn der für die Studie befragten Unternehmen und Behörden sehen sich gut bis sehr gut aufgestellt, schnell auf Veränderungen zu reagieren und den Laden am Laufen zu halten. Etwa ebenso viele bescheinigen sich gute Antizipationskräfte und Prognoseinstrumente.

Erfolgsfaktoren fuer Resilienz

 

Aber wie steht es mit dem Erkennen und Ergreifen sich bietender Chancen – der etwas progressiveren Form der Resilienz? Da werden die Balken für die Antwortoptionen „gut“ bis „sehr gut“ ein gutes Stück kürzer – und das branchenübergreifend. Die verarbeitende Industrie sieht sich noch gut aufgestellt im Vergleich zu Energieversorgern und öffentlicher Verwaltung sowie Finanzdienstleistern. Entscheiderinnen und Entscheider von Banken und Versicherern räumen zudem häufiger als andere Branchen ein, das Abklopfen der eigenen Organisation auf Schwachstellen könnte systematischer laufen. Dabei ist dieser Faktor ebenso wichtig wie die Anpassungsfähigkeit. Ein resilientes System ist nicht starr, sondern stellt sich gerade in der Krise in Frage.

Nur defensiv, entlang von Krisen zu denken, ist gefährlich

Um die Studienergebnisse herum lässt sich eine übergreifende Klammer ziehen: Die von Unternehmen und öffentlicher Verwaltung mehrheitlich praktizierten Maßnahmen zum Aufbau von Resilienz tragen den Blick auf die Krise in sich und das Vorbereiten auf Eventualitäten. Das ist nicht verkehrt, wird aber zum Problem, wenn sich Organisationen diesem Mindset und dieser strategischen Defensivausrichtung komplett verschreiben und dem nichts Offensives entgegensetzen.

Das Risiko zu scheitern nimmt dann zwar drastisch ab – gleichzeitig jedoch auch der Impuls, sich selbst zu hinterfragen und gegebenenfalls neu aufzustellen. Eine Strategie, die auf Resilienz abzielt, dabei aber nur Risikovermeidung betreibt, ist problematisch, weil so auch Innovationen ausgebremst werden können. Wenn ich es zur Strategie erhebe, meine bestehenden Konzepte, Ideen und Systeme nach allen Seiten abzusichern, ohne innovativ zu denken, wird Resilienz selbst zur Gefahr. 

Die Alternative besteht in einer verstärkten Bereitschaft zur Transformation. Die westliche Industriegeschichte ist vom Fortschrittsglauben geprägt und von der Überzeugung, dass uns Innovationen und neue Technologien bei der Lösung von Problemen in Zukunft helfen können. Diesen positiven Blick sollten sich Entscheider nicht durch einen rein auf Krisen ausgerichteten Blick versperren.

Resilienz aktuell – Reaktion auf akute Mangelwirtschaft

Wie konkret das Thema Resilienz ist, zeigen die aktuellen Berichte über Lieferengpässe. Innerhalb einer Welt des Überflusses mangelt es auf einmal an vielem. Fast jedes zweite Unternehmen in Deutschland klagt über Rohstoff- und Materialknappheit, besagt eine Studie des ifo Instituts. Der Automobilindustrie fehlen die Mikrochips, das Bauholz wird knapp, ebenso wichtige Metalle. Die Industrieunternehmen reagieren darauf mit einer Aufstockung der Lieferantenzahl, kürzeren Beschaffungswegen und größeren Lagerreserven, so unsere Studie. 

Meine persönliche Zahl der Studie

Abgesehen davon spüren wir längst einen noch gravierenderen Mangel: Es fehlen Menschen – und zwar Menschen, die digital und progressiv denken und an Abteilungs- oder Branchengrenzen nicht damit aufhören. Exakt hier kommt die nötige Bereitschaft zur Transformation ins Spiel. Mein Kollege Ronald de Jonge fordert als Bedingung für digitale Souveränität „eine Untergrenze für digitales Know-how“. Diese Forderung lässt sich 1 : 1 auf das Thema Resilienz übertragen. 

70 Prozent der Entscheiderinnen und Entscheider sehen das übrigens genauso und halten die kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeitenden für den entscheidenden Faktor für die Widerstandsfähigkeit ihres Unternehmens. Diese 70 Prozent sind meine persönliche Zahl der Studie. Denn sie zeigt, dass die große Mehrheit weiß, woher die ganzen digitalen Plattformen, die datengetriebenen Pay-per-Use-Geschäftsmodelle und die Cloud-Infrastrukturen kommen. Nun gilt es, Strategien zu entwickeln und Maßnahmen umzusetzen, damit die Garanten für Resilienz vernünftig arbeiten können. 

Wie sehen Sie das?

Mich interessiert Ihre Sicht auf dieses vielschichtige Thema. Wenn Sie mögen, schildern Sie Ihre Erfahrungen aus mehr als zwölf Monaten Krisenmodus und welche Punkte auf Ihrer Resilienzagenda stehen. Ich freue mich auf den Austausch.

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