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Nachgefragt bei Jens Rohde, Experte für digitales Prozessmanagement bei Sopra Steria Next, zum Thema Operative Effizienz.
Jens Rohde ist Leiter Digital Process Management bei Sopra Steria Next. Er ist Experte für Prozessdesign, Analyse und Transformation. Zudem beschäftigt er sich im Blog Digitale Exzellenz mit dem Thema Prozessautomatisierung mithilfe von Robotic Process Automation (RPA) und Künstlicher Intelligenz (KI).
Herr Rohde, jeder zweite Entscheider erwartet einen Automatisierungsboom, so die Studie Potenzialanalyse Operative Effizienz. Diese Prognose haben die Befragten vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Deutschland abgegeben. Wird sich dieser Boom nach der Krise verstärken? Was ist Ihre Einschätzung?
Der Trend zur Automatisierung wird sich verstärken. Das merken wir bereits jetzt an den Reaktionen und ersten Signalen unserer Kunden. Corona ist hier ein Treiber von Veränderungen, die sich bereits abgezeichnet haben. Was auffällt: Bei
den Automatisierungsvorhaben geht es meist nicht darum, Arbeitsplätze zu ersetzen, sondern Prozesse so zu unterstützen, dass kurzfristige Spitzen oder eben Ausfälle besser kompensiert werden können.
Welchen Einfluss hat eine gepflegte Prozesslandschaft auf die Krisen-Resilienz von Unternehmen?
Ein Unternehmen, das Transparenz über die Abläufe, den Aufwand und über die nötigen Schritte sowie deren Dringlichkeit hat, kann optimal mit den vorhandenen Kapazitäten arbeiten. Auf Basis sauberer Regelprozesse ist ein Wechsel
zu kurzfristigen Ausnahmeregelungen und Alternativen deutlich einfacher. Das funktioniert am besten, wenn Unternehmen auf Basis belastbarer Zahlen manövrieren. Eine wichtige Rolle spielt die Bewertung der Risiken. Je folgenreicher ein andauernder
„Krisenmodus“ ist, desto wichtiger werden sauber geführte und transparente Prozesse.
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Was beobachten Sie: Welche Defizite bei den Abläufen stehen Unternehmen, aber auch der öffentlichen Verwaltung im Weg, um auf die aktuellen Entwicklungen adäquat zu reagieren?
Die erwähnte Prozesstransparenz ist ein grundlegender Mangel, den wir an vielen Stellen beobachten. Dokumentationen sind – wo vorhanden – häufig eher akademisch, die gelebte Arbeitspraxis weicht ab. Gleichzeitig können selbst
unterstützende Tätigkeiten sehr oft nicht „remote“ durchgeführt werden, beispielsweise von zu Hause aus. Das liegt an der Infrastruktur, aber auch am fehlenden Willen, ein anderes Arbeitsmodell zuzulassen. COVID-19 als Extremsituation
zeigt gerade sehr gut, dass sich hier etwas ändern muss.
SAP-CEO Jennifer Morgan sagte in einem Interview: “If you focus on the people numbers will follow”. Welche Rolle spielt der Mensch in einem professionellen Prozessmanagement?
Prozesse sind nicht dazu da, den Menschen zu knechten oder einzuengen – im Gegenteil: Ergonomische Prozesse unterstützen ihn da, wo er es benötigt, und helfen dabei – auch durch gezielte Automatisierung oder Delegation –, dass
er wertschöpfend tätig sein kann. Menschen, die das Gefühl haben, produktiv zu sein und Werte zu schaffen, sind zufriedener. Sinnlose Arbeit macht dagegen eher krank.
Also sollten wir alles daransetzen, die Prozesse auf die Menschen im Unternehmen und die Kunden auszurichten.
Deutschen Unternehmen wird gerne nachgesagt, sie schauen zu stark auf Effizienz und vernachlässigen dabei den Erfindergeist, der sie einst auszeichnete. Thomas Sattelberger (FDP) bezeichnet Effizienz in einem Interview für den Managementkompass Operative Effizienz gar als Innovationsbremse. Wie steht der Prozessmanager zu Innovationen?
Ich stimme dem nicht zu. Effizienz kann auch innovativ sein. Der Automobilhersteller Toyota hat effiziente Prozesse mit dem Toyota Production System (TPS) seit den 1980er Jahren geprägt und ist dennoch Vorreiter bei neuen Formen der Mobilität.
Übrigens ist TPS entstanden, weil Japan nach dem Weltkrieg Materialengpässe verzeichnete.
Not macht somit erfinderisch. Disruptive wie inkrementelle Innovationen entstehen einerseits über neue Produkte als Angebot und aus erzwungenen, externen Effekten wie derzeit COVID-19. Das erkennt man an der Impfstoffforschung, an Lieferdiensten
für diverse Waren und unseren neuen Dienstleistungen zum Krisenmanagement.
Allerdings treibt auch der Nachbar Innovationen, indem er das gleiche Produkt effizienter fertigt, als man selbst es gerade kann. Das zieht sich durch die gesamte Industriegeschichte – vom Einsatz der Dampfmaschine für die Verarbeitung von
Wolle bis zu Plattformstrategien im Automobilbau.
Effiziente Prozesse verringern im ersten Schritt immer die Verschwendung von Zeit und Ressourcen. Das schafft Freiräume. Ein Unternehmen im „Würgegriff“ der Verschwendung hat keine Bewegungsfreiheit, um innovativ tätig zu werden.
Herr Rohde, vielen Dank für das Gespräch!

Jens Rohde
Head of Digital Process Management bei Sopra Steria Next
Kontakt für Fragen: next.de@soprasteria.com
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