„Für smarte Mobilität in unseren Städten lautet das Motto: Data First!“

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Nachgefragt bei Thomas Walsch, Partner Public Sector, Head of Market Domain Government, zur Organisation der innovativen Mobilität in Deutschlands Smart Cities.

Thomas, rechnerisch verbringt jeder Deutsche 41 Stunden im Jahr mit der Suche nach einem Parkplatz. In der Studie „Deutschland kann das“ zu den Smart Cities hierzulande habt ihr gemeinsam mit Prognos herausgearbeitet, dass Technologien helfen können, die Mobilität in Städten und Kommunen neu zu gestalten. Geht es um bessere Parkleitsysteme?

Es geht um sehr viel mehr als das. Die ewige Suche nach einem Parkplatz ist nur das Symptom für Dysfunktionalitäten in unserer urbanen Mobilität. Die Ausgangsfrage lautet doch: Wieso kommt es überhaupt zur Parkplatzsuche? Sind zu wenig Parkplätze vorhanden? Oder stimmt der Parkraumbedarf in einem Teil der Stadt nicht mit dem Angebot überein? Wieso wird der ÖPNV in den jeweiligen Stadtteilen nicht stärker genutzt? Erschweren Stau und stockender Verkehr die Parkplatzsuche? Warum fließt der Verkehr in manchen Teilen der Stadt so langsam? Es ließen sich noch etliche weitere solcher Fragen stellen.

Um verlässliche Antworten zu geben und nachhaltige Lösungen zu schaffen, braucht es die passenden Daten. Das Motto lautet: Data First! Städte und Kommunen, die auf eine smarte Mobilität hinarbeiten, benötigen als Grundlage eine Datenstrategie und ein gut funktionierendes Datenmanagement. Beim Erfassen und Auswerten von Daten spielen Technologien eine wichtige Rolle. Mit Sensoren und IoT-Lösungen lassen sich Zustände und Verhalten vermessen. Dazu zählen unter anderem die Zahl der Autos, die Menge an Fußgängern, die Ein- und Aussteigzeiten an Bussen, Zügen und Straßenbahnen, freie und besetzte Parkplätze, bevorzugte Routen zu bestimmten Tageszeiten und Wetterbedingungen sowie Informationen der Ampelschaltungen. In Summe kann das zu einem smarten Parkleitsystem führen – aber auch zu noch sehr viel mehr, beispielsweise einer Planungsgrundlage für Städte und Regionen.

Was für Lösungen verspricht die Smart Mobility denn noch darüber hinaus für die Städte?

Gerade in den urbanen Räumen sehen wir einen massiven Wandel beim Verständnis von Mobilität. Die Menschen wollen verschiedene Fortbewegungsmittel nutzen – ganz nach persönlichen Vorlieben und angepasst an den jeweiligen Bedarf. Mal mag das Auto die richtige Wahl sein, mal eine Fahrt im Zug, in der Straßenbahn, im Bus oder per Ride-Sharing – und oftmals ist es der Mix aus all diesen Angeboten. Manchmal kommt es auf Bequemlichkeit an, ein anderes Mal auf Schnelligkeit und wieder ein anderes Mal auf Platz.

Daher braucht es digitale, intermodale Lösungen, über die Städte und Kommunen gemeinsam mit Partnern Mobility as a Service bereitstellen können. Für solche Angebote sollten sich kommunale und private Unternehmen vernetzen und Daten zu den eigenen Angeboten auf intelligente Weise austauschen. Fahrgäste könnten sich dann beispielsweise bei der Nutzung der verschiedenen Verkehrsangebote auf eine automatische Ermittlung des Fahrpreises (Check-in/Be-out) verlassen – der Kauf einzelner Tickets entfiele.

 

Dimensionen_Smart_Mobility

 

 

Ihr habt euch für die Studie verschiedene Fallbeispiele angesehen. Ist die Smart Mobility ein reines Metropolen-Thema?

Überhaupt nicht. Verkehr ist für alle Städte ein äußerst sensibles und wichtiges Thema. Tatsächlich zeigt unsere Untersuchung, dass die Größe nicht entscheidend ist für die Frage, ob eine Stadt zur Smart City wird – und das lässt sich uneingeschränkt auf die Smart Mobility übertragen. Herrenberg in Baden-Württemberg beispielsweise zählt rund 33.000 Einwohner. Mit dem stadtnavi wurde dort eine Lösung entwickelt, die Livedaten zu Verkehr und ÖPNV verarbeitet und um Echtzeitdaten, beispielsweise von Radabstellanlagen oder Ladestationen sowie vom Bauamt, ergänzt. Informationen zu Park- und Wohnmobilstellplätzen sowie zu Mitfahrgelegenheiten fließen ebenfalls ein. Die Zeit für die eingangs angesprochene Suche nach einem Parkplatz konnte die Stadt mit der Bereitstellung der Lösung ebenfalls drastisch reduzieren.

Wie greifen die Smart Mobility und andere Themenfelder einer Smart City konkret ineinander?

Die Dateninfrastruktur, die sich Städte organisatorisch und technisch aufbauen, liefert nicht allein Informationen für Themen wie die Parkraumanalyse. Die Einsätze von Rettungsdiensten lassen sich mithilfe solcher Daten ebenfalls optimieren. Auch lassen sich stadtplanerische Fragen beantworten. Schließlich gibt es Gründe, warum viele Menschen aus einem bestimmten Viertel beispielsweise in ein anderes Viertel unterwegs sind oder bei dieser Strecke eher auf das Auto setzen als auf Bus und Bahn. Das hängt nicht allein mit der Verfügbarkeit der jeweiligen Mobilitätsangebote zusammen, sondern auch mit sozioökonomischen Faktoren, die in solchen Daten sichtbar werden – das kann vom subjektiven Sicherheitsempfinden bis hin zur nicht bedarfsgerechten Infrastruktur in einem Viertel reichen. Gerade heutzutage kommen zudem Fragen des Umwelt-, Klima- und auch Gesundheitsschutzes mit hinzu. Eine smarte Laterne, die über IoT-Sensoren den Parkraum überwacht, kann parallel dazu Daten zur CO2-Konzentration, zur Schadstoffbelastung in der Luft oder zur Temperatur mit übertragen, um so ein vollständiges Datenbild für die ganze Stadt zu liefern.

Gemeinsam mit Prognos hat Sopra Steria die Studie „Deutschland kann das“ erarbeitet. Die Ergebnisse zu den Themenfeldern Smart Mobility, Digital Health, Digitale Verwaltung und Public Safety lassen sich in vier Whitepapers nachlesen, die sich hier herunterladen lassen.

 

thomas_walsch

 

Thomas Walsch ist Partner Public Sector. Er verantwortet als Head of Market Domain Government den Geschäftsbereich Verkehr und Smart Cities bei Sopra Steria.

 


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