Das kleine 1x1 der Fintechs

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Die Finanzbranche war als eines der ersten Marktsegmente von der allgegenwärtigen Digitalisierung betroffen. Inzwischen tummeln sich neben den Klassikern PayPal und Auxmoney viele neue Wettbewerber mit frischen Ideen im Markt. Thomas Saalmüller, Director Digital Banking bei Sopra Steria erläutert, wie Banken auf Fintechs reagieren können.  

Herr Saalmüller, welche unterschiedlichen Typen von Fintechs gibt es?

Prinzipiell lassen sich vier Typen unterscheiden: Erstens Aggregatoren, die die primäre Kundenschnittstelle für unterschiedliche Banking-Produkte bilden und so auf einem Internetportal den Vergleich sowie die Vermittlung von Angeboten verschiedener Finanzinstitute ermöglichen. Zweitens Innovatoren, die sich auf einen bestimmten Teil der Wertschöpfungskette fokussieren, wie beispielsweise den Zahlungsverkehr. Diese treten dann in direkten Wettbewerb mit traditionellen Kreditinstituten. Der dritte Typ sind die Disruptoren. Sie ersetzen bestimmte Leistungsangebote von Banken, wie die Kreditvergabe und bringen Kreditnehmer direkt mit Investoren zusammen, ohne dass daran ein Finanzinstitut beteiligt ist. Komplementoren als vierter Typ, bieten hingegen ergänzende Dienstleistungen für Bankkunden, die einen konkreten Mehrwert darstellen. Dazu gehören Lösungen zur Authentifizierung über das Smartphone sowie für das persönliche Finanzmanagement (PFM). 

Konzentrieren sich Fintechs in einem bestimmten Segment?

Es gibt heutzutage für fast jede Dienstleistung mehrere Anbieter – auch in Deutschland. Zu den Providern virtueller Währungen à la Bitcoin gehören hierzulande Bitbond, yacuna und coinzone. Außerdem gehören dazu E-Commerce-Unternehmen wie Fastbill Automatic, Paymill und Barzahlen sowie ERP- und Factoring-Provider, Spendensammler und Kassensysteme. Banken sollten aber vor allem Kreditfirmen wie Kreditech, Finmar oder Auxmoney im Auge behalten und Banking-Systeme wie Traxpay, Ginipay oder Mambu. Auch Anbieter für Geldanlagen, Versicherungen, PFM-Lösungen, Tools, Online-Identifikation und Peer-to-Peer (P2P)-Systeme können interessant sein. 

Was müssen Finanzinstitute tun, um den Anschluss nicht zu verpassen?

Im ersten Schritt sollten sie sich einen Überblick über die verschiedenen Fintechs verschaffen und ihre Aktivitäten beobachten. Anschließend müssen sie deren Markterfolg bewerten und untersuchen, ob das jeweilige digitale Geschäftsmodell auch für das eigene Unternehmen erfolgversprechend sein könnte. Dann sollten sie überlegen, ob eine Kooperation mit dem Fintech-Unternehmen möglich wäre oder sogar eine Übernahme. Das Modell einfach zu kopieren ist nicht empfehlenswert, da einerseits hohe Entwicklungskosten und andererseits Patentrechtverletzungen drohen. Um im Wettbewerb Schritt zu halten, müssen Banken aber auf jeden Fall eine Digitalisierung aller analogen Systeme sowie eine Modernisierung der bereits verwendeten digitalen Systeme vornehmen. 

Wie bewerten Sie die Trends Digitalisierung und IT-Modernisierung in der Bankenbranche?

Viele bewährte und produktive IT-Systeme sowie -Landschaften stehen am Ende ihres Lebenszyklus und müssen modernisiert werden. Zudem ist es notwendig, dass Banksysteme auch gegenüber der Bereitstellung von offenen Schnittstellen für neue Kooperationsszenarien aufgeschlossen sind. Entsprechend verändern Produkte und Lösungen von Fintechs auch die Schnittstelle zum Kunden und stellen bestehende Bankprodukte auf den Prüfstand. Das „Digital Banking“ ist dabei mehr als eine Erweiterung von Online- und Mobile-Banking. Digitalisierungsprojekte stehen heute bereits in zahlreichen europäischen Banken auf der Management-Agenda. 

Worauf liegt Ihrer Meinung nach der Fokus?

Schwerpunkt ist häufig die Schnittstelle zwischen Kunde und Bank als Erweiterung des Online- oder Mobile-Banking-Angebots. In Ausnahmen stehen durchgängige digitale End-to-End-Prozesse im Fokus, die kanalunabhängige Gesamtlösungen vom Kundenzugang bis zur Archivierung bieten, um manuelle Bearbeitung zu vermeiden. Dabei werden als Vorbilder für die Digitalisierung oft Google, Amazon, Apple, erfolgreiche Direktversicherungen und -banken sowie Start-ups gesehen. Vor allem große Banken stehen damit vor der Herausforderung, ihre bestehenden Prozesse gemäß diesen Vorbildern umzugestalten.

Was sollten Finanzdienstleister daraus schließen?

Besonders erfolgskritisch ist eine systematische Auseinandersetzung mit den Disziplinen der Digitalen Exzellenz. Damit bezeichnen wir bei Sopra Steria das Transformationsziel eines Unternehmens, das sich im digitalen Wandel befindet. Dabei sind folgende Fragen zu beantworten: Wie muss die digitale Transformation geplant und umgesetzt werden, um den erkannten Auswirkungen auf das Geschäftsmodell Rechnung zu tragen? Wie sieht der Fahrplan in Abhängigkeit des institutsindividuellen Transformationsdrucks aus, um die Chancen einer Digitalisierung zu nutzen? Welche Initiativen zur IT-Modernisierung sind erforderlich? 

Wie kann das in der Praxis aussehen?

Banken könnten zu Beginn der Transformation Innovationslabore einführen oder digitale Leuchtturmprojekte umsetzen. Allerdings sollte klar sein: Digitale Leuchtturmprojekte können zwar die interne und externe Wahrnehmung eines Instituts positiv beeinflussen, sie sind jedoch nicht das Ergebnis einer umfassenden Transformation, die in vielen Unternehmen erforderlich ist. Auch die Gründung von digitalen Tochterunternehmen, in denen der Mutterkonzern innovative Ansätze ausprobieren kann, ist denkbar. Die systematische Beobachtung von Start-ups aus der Fintech-Szene empfiehlt sich ebenso wie die Etablierung interdisziplinärer Teams, etwa aus Vertrieb, IT und Data Scientists, die neuartige Lösungen in der Design-Thinking-Methode entwickeln. Die Bildung sowie der Ausbau von Kooperationen mit relevanten Plattformen können den Markteintritt deutlich beschleunigen. Und schließlich ist der Digitalisierungsgrad des Finanzinstituts systematisch zu messen und voranzutreiben. 

Wo sind Kooperationen möglich?

Derzeit bieten sich vor allem Fintechs in den Bereichen Identifikation und Banking an. Es gibt Start-up-Unternehmen, die eine Identifikation des Kunden über sein Smartphone ermöglichen. Dies funktioniert durch das Abfotografieren seines Ausweises via Handy-Kamera oder der Übertragung des Fingerabdrucks, der zur Authentifizierung des Nutzers am Smartphone dient. Beim Banking sind nicht nur die inzwischen großen Anbieter wie PayPal tätig, sondern auch zahlreiche kleine, die Überweisungen per Smartphone direkt über die Nutzung der Kontaktliste ermöglichen. So lassen sich Rechnungen abfotografieren, in eine App für Zahlungsanweisungen integrieren und per Auswahl über die Kontaktliste senden. 

Gibt es Alternativen zur Kooperation?

Banken können diverse neue digitale Prozesse auch selbst einführen. Mit einem Online-Portal zur Einreichung von digitalen Unterlagen und Abfrage des Bearbeitungsstatus der Finanzierung sowie Unterstützung von Kundenentscheidungen bei Finanzierungsvarianten wird eine deutlich bessere Vernetzung mit dem Kunden gewährleistet. Zudem ist ein digitales Rating-Jahresgespräch für die Beratung von gewerblichen Kunden per Tablet möglich, beispielsweise durch die Übertragung der E-Bilanz mit nachfolgender automatisierter Bilanzauswertung. 


Thomas Saalmüller, Director Banking bei Sopra Steria

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