Der wachsende Compliance-Druck ist für die deutsche Assekuranzwirtschaft derzeit die größte Herausforderung – knapp vor IT-Optimierung und Prozessdigitalisierung. Mit diesem Ergebnis reflektiert der Branchenkompass Insurance 2015 von Sopra Steria den permanent steigenden Regulierungsgrad, der mit dem Inkrafttreten von Solvency II und der Verabschiedung der EU-Vermittlerrichtlinie IDD zu Beginn dieses Jahres vermutlich nur einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat.
Mit der Insurance Distribution Directive (IDD) hat das Europäische Parlament am 20. Januar 2016 neue Vorgaben für den Versicherungsvertrieb verabschiedet. In nationales Recht umgesetzt wird die Richtlinie voraussichtlich im Lauf des nächsten Jahres, wobei für den deutschen Markt insbesondere die Neuregelungen für den provisionsbasierten Vertrieb von Bedeutung sind. Es wundert daher nicht, dass Assekuranzunternehmen von IDD den größten Einfluss auf ihre Vertriebsorganisation erwarten – nämlich gut zwei Drittel der Versicherungen und 60 Prozent aller Makler. Bereits mit kurzfristigen Prozessanpassungen rechnen dabei rund 30 Prozent der für den Branchenkompass Insurance 2015 im Auftrag von Sopra Steria befragten Entscheider. Auf Platz 2 rangiert in der Umfrage das Thema Solvency II: Hier erwarten 63 Prozent der Versicherer und 43 Prozent der Makler zumindest mittel- bis langfristig eine Anpassungsnotwendigkeit ihrer Vertriebsprozesse.
„Viele Versicherungsgesellschaften sehen IDD mit Sorge entgegen, weil es dafür bislang noch keine überzeugende Musterlösung gibt“, kommentiert Martin Preuß, Manager Vertriebssteuerung bei Sopra Steria. Und weiter: „Versicherungen sind durch IDD mit sehr verschiedenen Herausforderungen gleichzeitig konfrontiert – darunter neue Aus- und Weiterbildungspflichten für Vermittler, Anpassungen im Compliance-Management, zusätzliche Informations- und Dokumentationsauflagen im Umfeld der Beratung sowie eine weitgehende Offenlegung der Provisionsvergütung.“ Notwendig sei in diesem Kontext insbesondere eine Anpassung der über Jahre hinweg gewachsenen Angebotssysteme, die neben vermittlerindividuellen und produktspezifischen Provisionsvereinbarungen nun auch die komplexen Berechnungsgrundlagen dafür bereitstellen müssen.
Obwohl laut Branchenkompass das Thema Compliance derzeit als die größte Herausforderung angesehen wird, planen nur 54 Prozent der Versicherungsentscheider in den kommenden zwei Jahren zusätzliche Investitionen für ihr Compliance-Management. Das sind 15 Prozentpunkte weniger als noch vor zwei Jahren. Eine mögliche Erklärung für diese Diskrepanz: Alle wesentlichen Investitionsentscheidungen wurden bereits vor zwei Jahren getroffen, um rechtzeitig auf Solvency II vorbereitet zu sein. Mit diesem Komplex gehen Makler in der aktuellen Umfrage verständlicherweise entspannter um: „Solvency II verlangt in erster Linie die Bewertung der Finanzstärke eines Versicherers, um Insolvenzrisiken zu minimieren. An Makler stellt dies zunächst keine größeren Anforderungen. Haftungsrechtlich relevant ist für sie lediglich die Berücksichtigung aufsichtsbehördlicher Meldungen über mögliche Pflichtverletzungen von Versicherern aus Solvency II“, erläutert Martin Preuß.
Über die Studie:
Im Herbst 2015 befragte das Marktforschungsunternehmen forsa im Auftrag von Sopra Steria Führungskräfte aus 70 der größten Versicherungs- und Maklergesellschaften Deutschlands zu ihrer gegenwärtigen und künftigen Geschäftspolitik. Der Branchenkompass zeichnet nicht nur ein Bild der aktuellen Stimmungslage in der deutschen Versicherungswirtschaft, sondern zeigt durch einen Ergebnisvergleich mit Vorjahresstudien seit 2002 auch deren zeitliche Entwicklung auf.
Den „Branchenkompass Insurance 2015“ können Sie hier beziehen.