Der Bürger als Kunde – Datenbasierte Angebote der Wirtschaft setzen den öffentlichen Sektor unter Zugzwang

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Zu wertvollem Wissen verdichtete Daten sind auf dem freien Markt der digitale Treibstoff für innovative Geschäftsmodelle, die Unternehmen in die Lage versetzen, quasi ad-hoc auf neue Kundenbedürfnisse zu reagieren. Auf die Dauer verändern solche datengetriebenen Angebote die Erwartungshaltung der Verbraucher, die andererseits auch Konsumenten öffentlicher Dienstleistungen sind: Von ihrer Verwaltung erwarten Bürger und Bürgerinnen letztlich dieselbe Agilität, die sie als Kunden von Privatunternehmen gewohnt sind. Umso wichtiger wird es für staatliche Stellen, im Zuge der digitalen Transformation unterschiedliche Datenquellen intelligent zu verknüpfen und auszuwerten – mit dem Ziel, Antragsbescheide zu beschleunigen, die Servicequalität für Bürger wie Unternehmen zu steigern und nicht zuletzt die eigene Handlungsfähigkeit etwa in Krisensituationen zu verbessern.

Was macht Unternehmen, die mit der digitalen Transformation weit vorangekommen sind, erfolgreicher als digitale Nachzügler? Dieser Fragestellung widmete sich eine Studie der Unternehmensberatung Sopra Steria in Zusammenarbeit mit Forschern der Universität Hamburg. Ergebnis: Unternehmen mit hoher digitaler Exzellenz können mit Kunden und Partnern deutlich intensiver und differenzierter kommunizieren. Sie erfahren mehr über aktuelle Kundenbedürfnisse und Marktanforderungen. Wem es gelingt, aus den täglich anfallenden Massendaten umgehend geschäftlich nutzbare Informationen zu extrahieren, kann mit präzise zugeschnittenen Dienstleistungen und Produkten agiler auf einen neuen Bedarf reagieren. Digitalisierungsinvestitionen zahlen sich somit durch eine Stärkung der Wettbewerbsposition aus.

Auch wenn im öffentlichen Sektor weit weniger Wettbewerb herrscht: Moderne Verwaltungen und Behörden müssen genauso wie Unternehmen in der Lage sein, sich schnell auf neue Situationen einzustellen und agil auf Veränderungen zu reagieren. Das gilt umso mehr, wenn staatliches Handeln kritische Folgen haben kann: Ob Katastrophenschutz, Terrorabwehr, Lebensmittelüberwachung oder Flüchtlingskrise – der vom Privatsektor her an Agilität gewöhnte Bürger und Wähler erwartet vom Staat heute ein entsprechendes Maß an digitaler Agilität. Es ist nicht einzusehen, warum unser Versandhändler weiß, dass unsere Waschmaschine das Ende ihres Lebenszyklus erreicht hat, und zum richtigen Zeitpunkt von sich aus ein entsprechendes Angebot unterbreitet – während staatliche Stellen zum Beispiel bei schwerer Kindeswohlgefährdung trotz guter Aktenlage die verfügbaren Informationen nicht schnell genug nutzen können und daher inaktiv bleiben. „Im öffentlichen Sektor setzt sich immer stärker die Erkenntnis durch, dass im Zuge der Digitalisierung wertvolle Informationsquellen entstehen. Um diesen Datenschatz als Basis für agiles Handeln einsetzen zu können, investieren Verwaltungen aller Ebenen vermehrt in technische und personelle Ressourcen für intelligente Datenanalysen“, sagte Maciej Dabrowski, Experte für Public Analytics bei Sopra Steria .

Die öffentliche Hand steht dabei genauso wie die Privatwirtschaft vor der Herausforderung, ihre digitalen Angebote und die zugrundliegenden Systeme kontinuierlich weiterzuentwickeln. „Digitale Exzellenz erfordert sowohl ein permanentes Nachsteuern auf technologischer Ebene als auch die Orientierung auf agile Arbeitsweisen. Behörden tun sich damit zwar traditionell schwer, doch zeichnet sich seit einiger Zeit ein deutlicher Bewusstseinswandel in der öffentlichen Verwaltung ab“, konstatiert Thomas Walsch, verantwortlich für Digitalisierungslösungen in der öffentlichen Verwaltung bei Sopra Steria Consulting. Gestützt wird diese Beobachtung durch die erwähnte Studie zur digitalen Exzellenz. Danach bewerteten die befragten Entscheider die Fähigkeit zu datengetriebener Agilität auf einer Skala von 1 (nicht relevant) bis 5 (sehr relevant) durchschnittlich mit 4,0. Relativiert wurde diese grundsätzlich positive Einschätzung allerdings durch Bedenken in Bezug auf die Verteilung der verfügbaren Budgets: Hinsichtlich der Frage, ob die geltenden Kriterien für Investitionsentscheidungen den Bedingungen der digitalen Transformation angemessen seien, vergaben Verwaltungsangehörige unter den Studienteilnehmern im Schnitt nur 2,29 Punkte – es bleibt somit noch viel zu tun im öffentlichen Sektor.

Über die Studie:
Die Studie wurde in zwei Schritten erarbeitet. An eine qualitative Phase mit 17 Experteninterviews schloss sich im zweiten Schritt eine quantitative Erhebung mit der Befragung von 90 Entscheidern aus den folgenden Wirtschaftssegmenten an: Automobilbau, Finanz-, Versicherungs- und Energiebranche sowie öffentliche Verwaltung. Annähernd 80 Prozent der befragten Unternehmen beschäftigen mehr als 1.000 Mitarbeiter; mehr als zwei Drittel erwirtschaften einen Jahresumsatz von über einer Milliarde Euro.

Die Studie können Sie hier beziehen.


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