Deutsche Industrie will agil entscheiden wie ein Start-up, ohne Grundtugenden komplett aufzugeben

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Die Industrie in Deutschland investiert intensiv in den Umbau ihrer starren Organisationen. Jedes dritte Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe und der Automobilbranche arbeitet derzeit am Abbau klassischer Hierarchien, um mehr Entscheidungen in kürzerer Zeit zu treffen. In jedem zweiten gibt es agile Projektteams, die immer wieder neu zusammengestellt werden. 96 Prozent der Manager ermutigen zudem verstärkt Mitarbeiter, ohne Rückversicherung beim Chef zu entscheiden. Eine Totalabkehr von bewährten Tugenden zugunsten einer Start-up-Kultur ist allerdings nicht erkennbar. Das sind die Ergebnisse der Studie „Potenzialanalyse agil entscheiden“ von Sopra Steria und dem F.A.Z.-Institut.

Die Entscheider in den traditionellen Industrieunternehmen sind sich bewusst: Prozessdigitalisierung und Cloud-Nutzung für Internet-of-things und Industrie-4.0-Anwendungen nutzen nur, wenn sich die Entscheidungskultur und das Tempo ebenfalls verändern. Jeder zweite Manager muss mehr als früher entscheiden, mehr als jeder Vierte spürt bei Entscheidungen die fehlende Fach- und Detailkenntnis. Jeder dritte Entscheider reagiert darauf, indem er mehr Aufgaben delegiert.

Die Unternehmen, die früh begonnen haben, mit agilen Methoden wie Scrum und Kanban zu arbeiten, haben sich mittlerweile strukturell neu aufgestellt. In mehr als der Hälfte arbeiten interdisziplinäre Teams. Allerdings handelt es sich vorrangig um Mischformen. Auf streng agile Führungsmodelle nach dem Vorbild von Start-ups setzen aktuell nur sechs Prozent der für die Studie befragten Industriemanager.

German Way beim Thema Agilität

Daran zeigt sich, dass sich Unternehmen die neuen Organisationsformen der Digitalunternehmen nicht blind überstülpen, sondern ihren Weg und ihr Tempo wählen: „Agilität lässt sich nicht verordnen wie ein Medikament. Es wäre fatal, wenn Automobilkonzerne und Mittelständler ihre Grundtugenden wie Genauigkeit und Verlässlichkeit komplett aufgeben“, sagt Julius Steinriede, Leiter Business  Industries bei Sopra Steria. „Mitarbeiter und Manager, die Jahrzehnte in Matrixstrukturen arbeiten, brauchen zudem Zeit, sich an die neuen Strukturen zu gewöhnen, in denen Vorgesetzte zum Motivator, Coach und Kurator werden“, sagt Julius Steinriede.

Dennoch wollen die Industrieunternehmen in Sachen Agilität dazulernen: Moderne Technologien sollen für eine bessere Datenlage für schnellere Entscheidungen sorgen. Beim Einsatz von ERP-Systemen ist die Industrie im Vergleich zu anderen Branchen längst führend. 21 Prozent der befragten Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe und der Automobilbranche nutzen zudem intelligente Analyseverfahren für genauere und schnellere Prognosen. 47 Prozent beschreiben die in ihrem Unternehmen herrschenden Entscheidungsprozesse jetzt bereits als stark datengetrieben. Aber: Mehr als jeder dritte Manager verlässt sich bei Entscheidungen trotz digitaler Unterstützung immer noch sehr stark auf Erfahrung und Intuition. „Daran lässt sich ablesen, dass sich Agilität nicht allein durch Investitionen in Technologien erreichen lässt, sondern nur durch eine Gesamtstrategie, in der der kulturelle Wandel eine zentrale Rolle spielt“, sagt Julius Steinriede von Sopra Steria.

Über die Studie:

Für die Studie „Potenzialanalyse agil entscheiden“ hat das F.A.Z.-Institut im Auftrag von Sopra Steria  im Februar 2018 mehr als 300 (n=302) Geschäftsführer, Vorstände, und Führungskräfte von Finanzdienstleistern, Energie- und Telekommunikationsunternehmen, aus dem verarbeitenden Gewerbe und der Öffentlichen Verwaltung befragt.

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