Klassische Kreditinstitute sehen ihr Geschäft aktuell vor allem durch Payment-Anbieter bedroht. 45 Prozent der befragten Entscheider zählen ebenjene Zahlungs- und Kreditkartenunternehmen und Internet- sowie Mobilfunkzahlsysteme derzeit zu ihren stärksten Wettbewerbern. Durch die Fokussierung der Payment-Provider auf mobile Endgeräte besetzen diese eine wichtige Kundenschnittstelle. Wirecard launchte beispielsweise erst kürzlich eine eigene Neobank und im Oktober eine volldigitale Multi-Merchant-Loyalty-Lösung für Händler, die Loyalitätsprogramme und Zahlungsdienste vereint.
Eine Gefahr droht zudem von jungen Digitalbanken. 43 Prozent der Bankentscheider sehen ihr Geschäftsmodell durch Smartphone-Banken wie N26, Fidor und Revolut bedroht. Durch ihre Produktinnovationen sowie das einfache und stets verfügbare Echtzeit-Banking ziehen die Neubanken zahlreiche neue Kunden an. N26 zählt mittlerweile mehr als 3,5 Millionen Kunden. Die britische Digitalbank Revolut betreut europaweit sechs Millionen Kunden, 150.000 davon in Deutschland. Weitere dieser neuen Digitalinstitute, die den Markteintritt in Deutschland bereits hinter sich haben, sind der britische Anbieter Monese sowie die Niederländer Bunq und Moneyou.
Darüber hinaus rücken verstärkt Nichtbanken in den Kreis der Top-Wettbewerber für die Geldinstitute. Erst kürzlich erweiterte die Lufthansa ihr Bonusprogramm Miles & More um eine Bezahlfunktion. Dadurch können sie mit ihrer neuen Multibanking-App Finance Plus bereits auf einen großen Kundenstamm zurückgreifen. Die Plattform Iconic Finance der Allianz steht bei den Banken ebenfalls unter Beobachtung. Insgesamt sehen 37 Prozent der Bankmanager aufkommende Finance-Plattformen von Nichtbanken als zunehmende Konkurrenz zu ihren Finanzprodukten und Services an.
Keine Angst vor GAFA
Trotz digitaler Bezahlfunktionen wie Google Pay oder Apple Pay sehen nur 23 Prozent der Kreditinstitute ihr Geschäft durch Google, Amazon, Facebook oder Apple (GAFA) bedroht. Im Ranking der Top-Wettbewerber sind diese Unternehmen nach unten gerutscht, 2018 waren es noch 39 Prozent. „Die Banken können sich vor digitaler Konkurrenz kaum noch retten. Da liegt es in der Natur der Sache, dass sie die konkreten Gefahren durch brancheninterne Wettbewerber für bedrohlicher halten als die der großen Techkonzerne aus den USA“, sagt Martin Stolberg, Director Banking bei Sopra Steria Consulting.
Mit Fintechs den Wettbewerb auf Abstand halten
Viele Institute merken, dass sie allein digital nicht so schnell nachziehen können, und setzen deshalb noch intensiver auf Fintechs ohne eigene Banklizenz. Zwei Drittel der Institute arbeiten in irgendeiner Form mit Fintechs zusammen – Tendenz steigend. Die Start-ups sollen mit Speziallösungen und ihrem Digital-Know-how bei der Entwicklung eigener Digitalangebote helfen.
„Die Lage der Banken ist ähnlich komplex wie seinerzeit bei Neckermann. In den Chefetagen geht es darum, die richtige Abzweigung in die Zukunft für das eigene Institut zu wählen. Große Banken lassen parallel zum bisherigen Geschäft eine eigene Neobank oder Plattform wachsen, die Teile des klassischen Geschäfts kannibalisiert. Viele mittlere Banken und Sparkassen werden ihr Heil zusammen mit Fintechs in der Nische versuchen, und kleine Institute werden versuchen, Digitalkompetenz und Infrastruktur zu teilen und so Kosten zu senken“, sagt Martin Stolberg.
Die Kooperationsformen unterscheiden sich: 34 Prozent der Institute planen, ein Fintech zu übernehmen. Im Vergleich zum Vorjahr ist dieser Wert um zehn Prozentpunkte gestiegen. Fintech-Gründungen sind ebenfalls für ein Drittel der klassischen Kreditinstitute interessant. Die Hessische Landesbank hat beispielsweise über ein Joint Venture das Fintech Komuno gegründet. Weitere 25 Prozent der Banken planen auch weiterhin verstärkt Kooperationen mit Fintechs einzugehen. So ist die Deutsche Bank erst kürzlich bei Deposit Solutions eingestiegen.
Tücken der Fintech-Kooperationen
Mit jeder neuen Kooperation holen sich die Banken allerdings neue Herausforderungen ins Haus: „Je größer das Partnerportfolio, desto größer wird der Aufwand im Dienstleistermanagement. Banken müssen für jeden Partner sicherstellen, dass dieser die regulatorischen Anforderungen erfüllt, beispielsweise Sicherheitsanforderungen zum Schutz vor Cyberangriffen oder Anforderungen an die Stabilität und die Verfügbarkeit der eingekauften Leistung“, so Stolberg.
Über die Studie:
Im Sommer 2019 führte das Marktforschungsinstitut Survey Sampling Germany im Auftrag von Sopra Steria Consulting und dem F.A.Z-Institut eine Befragung von 101 Fach- und Führungskräften von Banken mit Bilanzsummen über 500 Millionen Euro durch. Als Befragungsmethode wurde CAWI (Computer Assisted Web Interviewing) eingesetzt. Teil der Studienergebnisse sind zudem vier vertiefende Interviews mit Entscheidern verschiedener Banken sowie ein Interview mit Stefan Lamprecht, Mitglied der Geschäftsleitung von Sopra Steria Consulting, über Einschätzungen und Standpunkte zur Lage und Zukunft der Bankenbranche.
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Infografik zur Studie