Studie: Drei von vier Banken trotz Corona guter Dinge

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Im Bankensektor in Deutschland herrscht Zuversicht. 40 Prozent der Banken erwarten, dass sich die Branche bis 2023 besser als die deutsche Gesamtwirtschaft entwickeln wird. 37 Prozent rechnen mit einem Wachstum im Gleichschritt mit der Wirtschaft. Viele Institute gehen davon aus, dass die Konjunktur insgesamt wieder anzieht und sie davon wirtschaftlich profitieren. Regulierung und Kosten bleiben allerdings unangenehme Weggefährten. Das ergibt die Studie „Branchenkompass Banking 2021“ von Sopra Steria, für die 100 Entscheiderinnen und Entscheider befragt wurden.

Zu den Gutgelaunten unter den Banken zählen beispielsweise Institute mit einem Fokus auf das Immobiliengeschäft. Die Pandemie hat speziell in diesem Segment mehr genutzt als geschadet. Häuser und Wohnungen auf dem Land wurden 2020 attraktiver und häufiger finanziert. Das Wertpapiergeschäft, vor allem im Retailsegment, erlebte ähnliche Impulse: Deutlich mehr Menschen haben sich im vergangenen Jahr mit dem Thema Aktienhandel befasst. Spezielle Neobroker und einige Direktbanken erleichtern zudem den Einstieg mit einfach zu bedienenden Apps und niedrigen Gebühren. „Kunden und Banken spüren den Niedrigzinseffekt immer stärker. Das löst ein Umdenken bei Beratern und Verbrauchern aus und fördert unter anderem Robo Advisor“, sagt Martin Stolberg, Division Head Banking von Sopra Steria.

Die im Sommer gemessene positive Stimmung in den Banken könnte sich zumindest leicht eintrüben. Im gerade anziehenden Geschäftsfeld Brokerage drohen neue Ertragsausfälle. Ein Verbot sogenannter Payment-for-Order-Flow-Provisionen durch die EU wird wahrscheinlicher. Ein Entwurf wurde Ende November veröffentlicht. Betroffen wären speziell Online-Broker sowie einige Direktbanken. Je nachdem, wie weit die Regulierung greifen wird, könnten auch klassischen Banken im Investmentbanking Bestandsprovisionen wegbrechen.

Die gesamte Bankenbranche arbeitet nicht nur deshalb auf breiter Front am Ausbau ihrer Ertragsposition. Die Mehrheit (59 Prozent) nimmt bis 2023 neue Produkte ins Sortiment und wird dabei verstärkt Leistungen von Drittanbietern vertreiben. Jedes zweite Institut dreht zudem an der Gebührenschraube, 41 Prozent denken über Negativzinsen nach oder haben sie bereits eingeführt.

Als Alternative zur Provision für den Abschluss oder die Bestandspflege wird immer wieder ein Honorar für Beratung ins Spiel gebracht. Zum Befragungszeitpunkt hatten sich 43 Prozent der Institute mit der Einführung von Honorarberatungsmodellen befasst oder Maßnahmen in diese Richtung bereits umgesetzt.

Neue Geschäftsmodelle gesucht

Diese kurzfristigen Maßnahmen sind für die Mehrheit der Banken nur ein Lückenfüller. Drei von vier Instituten suchen generell nach einem neuen Geschäftsmodell und alternativen Ertragsmodellen. 41 Prozent der Befragten rechnen damit, dass Kunden künftig Kreditinstitute bevorzugen werden, die ihnen über digitale Ökosysteme Komplettlösungen für ihre individuellen Bedürfnisse anbieten.

Banken können diese Plattformen beliefern oder selbst Plattformbetreiber sein. 31 Prozent der Institute mit Plattformambitionen bevorzugen die Lieferantenstrategie, 24 Prozent wollen eigene Ökosysteme aufbauen. Die Mehrheit (42 Prozent) fährt einen Hybridkurs und verfolgt beide Strategien. „Die Ergebnisse zeigen, dass viele Banken in der Findungsphase sind und sich nicht festlegen, welche Rolle sie im Markt künftig spielen wollen. Dieses Zögern sollte nicht zu lange dauern, denn ein Tanzen auf allen Hochzeiten kann sehr schnell sehr teuer werden“, sagt Bankenexperte Martin Stolberg.

Automatisieren für mehr Marge

Durch den engeren Spielraum bei den Erträgen werden niedrige Kostenstrukturen noch wichtiger als ohnehin schon. Bei den Sparkassen beispielsweise bewegt sich das Verhältnis von Kosten und Erträgen laut einer Studie von finanz-szene.de bei jedem zehnten Institut in einem ungesunden Bereich. Neue Wettbewerber erhöhen den Druck zusätzlich: „Für jeden kleinen Schritt in einem Kreditprozess gibt es unter den Fintechs mittlerweile Spezialisten. Die holen den letzten Cent oder die letzte Millisekunde Effizienz heraus“, so Stolberg.

Mehr als jedes zweite Finanzinstitut treibt deshalb die Digitalisierung und Automatisierung der Geschäftsprozesse massiv voran. Diese strategische Maßnahme ist erstmals wichtiger als das Gewinnen neuer Kunden und der Ausbau der Service- und Beratungsqualität, so die Studie. Selfservice gilt in der Bankenbranche als regelrechter Effizienz-Booster. Bankkunden verwalten beispielsweise Darlehen und Depots häufiger selbst. Ein Drittel der Befragten rechnet zudem mit Fusionen und Übernahmen. Ziel ist, von Synergien zu profitieren.

Die Kunden der Zukunft sind Geräte

Abseits der Kosten kommen Digitalisierung und Automatisierung immer stärker den Kunden zugute. Bezahlen per Smartphone und NFC-Schnittstelle, biometrische Verfahren zum Identifizieren sowie Videochats und Videoberatung sind mehr oder weniger etabliert bei den Banken. Die Digitalexpertise, die Banken aufgebaut haben, wollen sie in weitere Angebote für Kunden lenken. Ein Geschäftsfeld mit Zukunft sind die Vernetzung in der verarbeitenden Industrie und die entstehenden Daten. Denkbar ist ein Banking of Things, das beispielsweise eine Finanzierung von Maschinen nach dem Pay-per-Use-Prinzip ermöglicht. Ein Drittel der befragten Banken ist im IoT-Geschäft bereits tätig. „Banken könnten zum Manager und Experten für Millionen von Konten und Transaktionen werden. Die ‚Kunden‘ der Zukunft sind dann Geräte“, verdeutlicht Martin Stolberg von Sopra Steria.

Über die Studie

Der Branchenkompass Banking 2021 zeigt, wo deutsche Banken im Veränderungsprozess stehen, wie sie mit den Herausforderungen umgehen und welche Strategien sie bis 2023 angehen und umsetzen wollen. Das Marktforschungsinstitut moweb research führte hierfür im Juli und August 2021 im Auftrag von Sopra Steria und dem F.A.Z.-Institut eine Online-Befragung von 100 Fach- und Führungskräften von Banken mit Bilanzsummen von mehr als 500 Millionen Euro durch. Teil der Studienergebnisse sind zudem drei vertiefende Interviews mit:

  •  Ulrich Scheer, CFO der Münchener Hypothekenbank, darüber, wie der Immobilienfinanzierer digital neue Kunden gewinnen möchte
  • Dr. Olaf Zeitnitz, Gründer und Geschäftsführer von VisualVest, über die Demokratisierung der Vermögensverwaltung
  • Dr. Marcus Lingel, Geschäftsführer und Gesellschafter der Merkur Privatbank, über die Wachstumschancen der Digitalisierung

 Zur Studie

 

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