Nahezu 40 Prozent der Entscheider in Deutschlands Unternehmen zweifeln daran, dass die bisherigen Wettbewerbsvorteile auch in drei Jahren noch Bestand haben werden. Besonders das Fehlen passender Mitarbeiter wird zur Belastung, wenn es darum geht, sich erfolgreich am Markt zu behaupten. Alarmierend: Schon heute kann gut jeder vierte Entscheider in Firmen mit mehr als 500 Mitarbeitern keine Aussage zum Wettbewerbsvorteil des Unternehmens treffen – entweder weil es ihn nicht gibt oder sie sich keine Meinung bilden können. Das sind die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstitutes Civey im Auftrag von Sopra Steria.
Die Digitalisierung, ein verschärfter globaler Wettbewerb sowie die Corona-Pandemie fordern die deutsche Wirtschaft heraus. Zwar sehen zwei von fünf Entscheidern (38,6 Prozent) klare Wettbewerbsvorteile im eigenen Unternehmen. Doch jeder vierte Unternehmensentscheider (26 Prozent) hierzulande muss passen und weiß nicht, in welchen Bereichen ein Vorsprung vor der Konkurrenz besteht. „Gerade in der aktuellen Zeit ist es wichtig, den eigenen Edge – also den eigenen Wettbewerbsvorteil – zu kennen, um sich zu fokussieren“, sagt Urs M. Krämer, CEO der Management- und Technologieberatung Sopra Steria. „Viele Firmen denken dabei zwar zunächst an das eigene Produkt oder andere klassische USPs, doch der Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens kann sehr viel mehr als das sein.“ So zählt Krämer besonders kurze Innovationszyklen, den konsequenten Einsatz von Automatisierung oder die Motivation der eigenen Mitarbeiter als Beispiele auf.
Datennutzung und Technologien machen selten den Unterschied aus
Die Mehrheit der Unternehmen gibt sich bei den eigenen Stärken konservativ. Jeder zweite Entscheider sieht das eigene Unternehmen bei Qualität und Verfügbarkeit von Produkten im Vorteil sowie beim Fleiß der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Jeweils rund ein Drittel verweist auf die Leistungsfähigkeit bei Service und Aftersales, die eigene Innovationsfähigkeit sowie die Kundenfokussierung. Als digitaler Technologieführer sehen sich dagegen die wenigsten: Der Einsatz smarter Technologien wie Künstlicher Intelligenz (18,2 Prozent) oder datengetriebener Geschäftsmodelle (11,5 Prozent) spielt bei der Bewertung des eigenen Edge eine untergeordnete Rolle. Auch der Grad der Automatisierung ist bei vielen Unternehmen stark ausbaufähig: Nicht einmal jeder sechste Entscheider (14,7 Prozent) sieht sein Unternehmen auf diesem Gebiet im Vorteil gegenüber den Wettbewerbern.
Effiziente Kostenstruktur wird in Zukunft immer wichtiger
Die Zurückhaltung der Unternehmen auf der technologischen Seite ist bemerkenswert, besonders da es gegenwärtig vor allem Technologiefirmen sind, die mit innovativen digitalen Dienstleistungen und Produkten den Wandel in vielen Branchen vorantreiben und so den Wettbewerb auch für etablierte Firmen massiv verschärfen. Dieses Problem ist offensichtlich auch vielen Entscheidern bewusst. Nur ein Drittel von ihnen ist sich sicher, dass die bisherigen Wettbewerbsvorteile auch in den kommenden Jahren Bestand haben. Etwa 17 Prozent verneinen das hingegen. Weitere 20,3 Prozent sind unentschieden.
Ein Blick auf konkrete Wettbewerbsvorteile zeigt, wo die Entscheider in drei bis fünf Jahren die wichtigsten Veränderungen erwarten. Mehr Manager als heute gehen davon aus, dass Vorteile bei den Kostenstrukturen und der Preisgestaltung zukünftig den Unterschied ausmachen werden. Auch die Kundennähe gewinnt an Relevanz: Knapp 42 Prozent der Befragten sehen in ihr zukünftig ein wichtiges Differenzierungsmerkmal – ein Plus von rund acht Prozentpunkten gegenüber heute.
Dagegen spielt die Markenstärke in Zukunft nur noch für ein Viertel der Entscheider eine wichtige Rolle. Aktuell wird die eigene Marke noch von fast einem Drittel als Wettbewerbsvorteil gesehen. Unternehmenskultur und „Purpose“ sind künftig ebenfalls für weniger Entscheider relevante Wettbewerbsvorteile. „Je härter der Wettbewerb, desto wichtiger werden die harten Kennzahlen wie Effizienz und die Flexibilität bei der Preisgestaltung. Schließlich entscheiden sie auch darüber, welche finanziellen Ressourcen mir als Unternehmen zur Verfügung stehen, um in die Zukunft meines Geschäftsmodells zu investieren. Bei Faktoren wie Marke und Unternehmenskultur werden wir eine Angleichung der Konzepte in Richtung Nachhaltigkeit erleben. Die Unterschiede werden weniger spürbar sein, schließlich macht auch die Konkurrenz ihre Hausaufgaben“, erklärt Urs M. Krämer.
Vermittlung von Wettbewerbsvorteilen kommt zu kurz
Was die Zahlen darüber hinaus zeigen: Es gibt beim Nachdenken über die eigenen Wettbewerbsvorteile ein eklatantes Missverhältnis zwischen den Beschäftigten und dem Management, so die Umfrage. Die Mehrheit der Entscheider (73 Prozent) geht davon aus, dass die Führungsebene die Wettbewerbsvorteile des Unternehmens kennt; mit Blick auf die Mitarbeiter glaubt dies gut die Hälfte. „Wettbewerbsvorteile sind keine Betriebsgeheimnisse, sondern wichtiger Baustein der Unternehmensstrategie. Es ist wie im Sport: Nur wenn das gesamte Team weiß, wo die eigenen Stärken liegen, kann es diese im Wettkampf auch optimal zur Geltung bringen“, sagt Urs M. Krämer.
Über die Studie
Für die Studie "Wettbewerbsvorteile im Entscheider-Check" hat das Meinungsforschungsinstitut Civey vom 7. September bis 13. Oktober 2020 im Auftrag von Sopra Steria 1.000 privatwirtschaftliche Entscheider von großen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern zur Kenntnis und der Bewertung der Wettbewerbsvorteile im eigenen Unternehmen befragt.
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