Prozessautomatisierung: Versicherer müssen „digitales Denken“ üben

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Schadensmeldungen und Antragsformulare aus Papier könnten in der deutschen Versicherungswirtschaft schon bald eine seltene Ausnahme sein: Mehr als 90 Prozent der Branche sieht aktuell in der Prozessautomatisierung eine bedeutende Herausforderung, wie der „Branchenkompass Insurance 2015“ von Sopra Steria Consulting zeigt. Der Fokus der Digitalisierungsanstrengungen richtet sich in den nächsten zwei Jahren hauptsächlich auf die automatische Verarbeitung unstrukturierter Daten und auf das Mengengeschäft.

Allerdings kann die Automatisierungswelle das vollständige Digitalisierungspotenzial nur dann ausschöpfen, wenn parallel dazu altes Spartendenken überwunden und das Umbautempo der IT-Landschaft kräftig angehoben wird. Auch müssen Assekuranzen beginnen, eine durchgehende Digitalisierungsstrecke in Richtung Kunde aufzubauen.

Noch bremst eine unüberschaubare Informationsmenge, die tagtäglich per E-Mail, Fax und Briefpost eingeht, viele Abläufe in Assekuranzunternehmen. Es überrascht daher nicht, dass laut „Branchenkompass Insurance 2015“ von Sopra Steria fast 70 Prozent aller deutschen Versicherer und Makler ihre verfügbaren Automatisierungsetats bis 2018 schwerpunktmäßig für eine quasi-industrielle Verarbeitung unstrukturierter Daten aufwenden wollen. Für kleinere Unternehmen hat dies mit 74 Prozent sogar noch höhere Priorität – vermutlich, weil sie mehr Nachholbedarf haben als die großen Gesellschaften.

Nur digitalisierte Informationen ermöglichen automatische Prozesse – und nur in dieser Form können Informationen in übergreifende Datenanalysen einfließen, um das Versicherungsgeschäft über den jeweiligen Ursprungsprozess hinaus zu transformieren. „In unserer täglichen Beratungspraxis erleben wir es immer wieder, dass ein Automatisierungsvorhaben aus der engen Sicht einer bestimmten Sparte heraus geplant wird und folglich auch nur spartenspezifische Prozesse im Blick hat“, berichtet Sven Brose, Principal Consultant Insurance bei Sopra Steria. Und weiter: „Wer im Zuge der Prozessautomatisierung das Digitalisierungspotenzial wirklich ausschöpfen will, braucht so etwas wie ein Digital Mindset und eine Perspektive, wie sich das gesamte Unternehmen künftig entwickeln soll.“ Notwendig sei es zudem, die Architektur bestehender Systemlandschaften zu entkoppeln und agile Software-Entwicklungsmethoden nach dem Vorbild der Fintech-Szene zügig einzuführen.

Wie hoch der Automatisierungsrückstau in der deutschen Versicherungswirtschaft tatsächlich ist, verdeutlicht die Studie „Kundenportale“ von Sopra Steria. Dort zeigt sich etwa beim Status-Tracking von Schadensfällen, dass viele Gesellschaften ihren Kunden bislang bestenfalls klassische Formulare zum Download anbieten können. Diese müssen dann unzeitgemäß ausgedruckt, manuell ausgefüllt und auf dem klassischen Postweg an die Versicherung zurückgeschickt werden. Ähnlich sieht es bei der Dokumentenbereitstellung aus: Nur ein Bruchteil der Zielgruppe ist derzeit schon in der Lage, Dokumente durchgängig in digitaler Form zur Verfügung zu stellen. 

Über die Studie:
Von August bis September 2015 befragte das Marktforschungsunternehmen forsa im Auftrag von Sopra Steria Führungskräfte aus 70 der größten Versicherungs- und Maklergesellschaften Deutschlands zu ihrer gegenwärtigen und künftigen Geschäftspolitik. Der Branchenkompass zeichnet nicht nur ein Bild der aktuellen Stimmungslage in der deutschen Versicherungswirtschaft, sondern zeigt durch einen Ergebnisvergleich mit Vorjahresstudien seit 2002 auch deren zeitliche Entwicklung auf.
Den „Branchenkompass Insurance 2015“ können Sie hier beziehen.

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