Telekommunikation: 5G-Ausbau fördert Internet der vielen Geschwindigkeiten

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Der Ausbau der Telekommunikationsinfrastruktur hin zum 5G-Mobilfunkstandard wird die Tarifvielfalt im Telekommunikationsmarkt in Deutschland weiter beleben. Die rasant steigende Zahl vernetzter Geräte im Internet der Dinge wird deutlich schnellere Leitungen benötigen, über die permanent Daten gesendet und empfangen werden können. Der Bedarf an Spezialtarifen für Dauerstreaming abseits der normalen Volumenverträge wird damit zunehmen. Parallel bleiben preiswerte Angebote für die Normalnutzer wichtig. Das ergibt eine Markteinschätzung von Sopra Steria.

Bereits heute bieten die beiden großen Netzbetreiber so genannte Zero-Rating-Tarife an. Kunden mit einem bestimmten Vertrag können die Dienste von Partner-Streaming-Anbietern wie Video- und Musikportalen nutzen, ohne ihr normales Datenkontingent zu verbrauchen. Das Angebot richtet sich an Kunden, die besonders häufig datenintensive Inhalte dieser Partner nutzen. Die Telekommunikationsanbieter steuern damit die Datenauslastung. Gleichzeitig profitieren sie durch Einnahmen von den Streaming-Partnern, während die Zusatzleistung für den Kunden größtenteils kostenlos bleibt. Diese Zero-Rating-Tarife sind nicht unumstritten. Verbraucherschützer mahnen die Netzneutralität an, auch die Bundesnetzagentur hat die Anbieter zu Nachbesserungen aufgefordert.

Der Bedarf nach derartigen Spezialtarifen für schnelles, staufreies Internet wird dennoch eher zunehmen –befeuert durch den 5G-Netzausbau. 5G ermöglicht Bandbreiten von zehn Gigabit pro Sekunde und Latenzzeiten von unter einer Millisekunde. Anwendungen für Telemedizin, Maschine-zu-Maschine-Kommunikation (M2M) und autonomes Fahren werden damit breitentauglich. „Es wird für die großen Telekommunikationsanbieter damit deutlich mehr mögliche Partner geben, die an schnellem, überall verfügbaren, Internet interessiert sein werden – nicht mehr nur die Content-Lieferanten wie die Film-, Musik- und Spieleindustrie“, sagt Jens Liepertz, Leiter des Geschäftsbereichs Telecommunications von Sopra Steria.

Neue Geschäftsmodelle durch 5G

Das versetzt die Branche in die Lage, neue Geschäftsmodelle für das 5G-Zeitalter zu entwickeln, um die zu erwarteten Milliardenausgaben für die 5G-Frequenzen zu refinanzieren. „Das enorme Tempo und die geringe Verzögerung der 5G-Technologie machen Entwicklungen wie autonomes Fahren und Industrie 4.0 erst möglich. Dadurch erhöht sich jedoch die Zahl der Netzteilnehmer stark, außerdem wird die Vernetzung der verbundenen Netzobjekte um zirka den Faktor 1.000 steigen“, sagt Marcello Carosella, Telekommunikationsexperte von Sopra Steria im Interview.

Ein großer Teil der Privatkunden wird das 5G-Potenzial nach heutiger Einschätzung bei weitem nicht ausschöpfen. Demgegenüber wird es neue, intelligente Anwendungen wie in der Medizin und in der Automobilindustrie geben, für die 5G-Technik zu jeder Zeit verfügbar sein muss. „Der Druck auf die Telekommunikationsbranche, stärker nach Geschwindigkeit und Datendurchsatz zu segmentieren, wird sukzessive steigen. Die Herausforderung wird darin bestehen, Modelle im Rahmen der gesetzlich verankerten Netzneutralität zu entwickeln. Die aktuellen Diskussionen rund um bestehende Zero-Rating-Angebote zeigen, dass dies nicht trivial ist“, sagt Jens Liepertz.

Denkbar sind darüber hinaus Beteiligungen anderer Branchen an den 5G-Investitionen. Es ist durchaus realistisch, dass sich Content-Lieferanten aus der Unterhaltungsindustrie stärker selbst als Netzanbieter engagieren. Als so genannte Mobile Virtual Network Operator könnten sie eigene Angebote in individuell zugeschnittene Mobilfunktarife verpacken. Eine Differenzierung zu den zahlreichen bestehenden All-Flat-Anbietern bliebe gewährleistet. „Die Einbindung so genannter Over-the-top-Content-Anbieter (OTTs) wie Amazon Prime, Netflix und Sky Go kann sich für den Netzausbau und die Finanzierung einer immer teurer werdenden Telekommunikationsinfrastruktur als Vorteil erweisen. Wenn die OTTs einen Mehrwert in einem schnellen Netz sehen und investieren, bekommt auch das Projekt Breitbandausbau in Deutschland mehr Schwung“, so Liepertz.

Telekommunikation und KI helfen sich gegenseitig

Das enorme Tempo und die geringe Verzögerung der 5G-Technologie machen Entwicklungen wie autonomes Fahren und Industrie 4.0 erst möglich. Dadurch erhöht sich jedoch die Zahl der Netzteilnehmer stark, außerdem wird die Vernetzung der verbundenen Netzobjekte um ca. den Faktor 1.000 steigen. Das Management dieser Netze funktioniert dann nur noch mithilfe künstlicher Intelligenz.

Versteigerung der 5G-Frequenzen noch in diesem Jahr

Die Versteigerung der 5G-Frequenzen ist für 2018 geplant, für 2- und 3,6-GHz sowie UMTS-Frequenzen gibt es noch keinen genauen Zeitplan. Eines der Probleme besteht darin, dass es aktuell nur eine geschäftsführende Bundesregierung gibt, dies erschwert die Organisation. Die Auktion soll jedoch zeitnah erfolgen, damit Netzbetreiber und andere Unternehmen bereits 2019 mit der Planung und dem Aufbau der 5G-Netze beginnen können.

Hintergrund zur Netzneutralität

Der Deutsche Bundestag hat im April 2017 – um eine entsprechende EU-Richtlinie umzusetzen – eine Novelle des Telekommunikationsgesetzes beschlossen, das kostenpflichtige Überholspuren für Daten nun grundsätzlich verbietet. Das Gesetz erlaubt aber Ausnahmen, bei denen eine "angemessene Verwaltung des Datenverkehrs" zulässig ist. Nach gängiger Lesart geht es dabei etwa um telemedizinische Anwendungen oder andere Dienste, bei denen Verzögerungs-Schwankungen zu einem vollständigen oder teilweisen Funktionsausfall führen könnten, wie etwa auch bei internationalen Videokonferenzen.

Auch das umstrittene „Zero Rating“ bleibt grundsätzlich erlaubt. Hier wird der mobile Datenverbrauch den Kunden bei Nutzung von Streaming-Diensten nicht auf das im Mobilfunktarif enthaltene Inklusiv-Datenvolumen angerechnet. Kritiker sagen, diese Tarife widersprechen der Idee der Gleichbehandlung.

In den USA hatte die Regulierungsbehörde FCC im Dezember 2017 die Abschaffung der Netzneutralität beschlossen. Die US-Entscheidung dürfte längerfristig wohl auch bei uns spürbar sein, weil kleinere Anbieter es in den USA nun schwerer haben, überhaupt so groß zu werden, dass sie auch jenseits des Atlantiks zu bedeutenden Playern werden.

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