Versicherer verschenken Vertriebspotenzial von Kundenportalen

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Der digitale Lebensstil der Kunden hat den Wettbewerb der Assekuranzwirtschaft grundlegend verändert: Um die Erwartungen ihrer Kunden erfüllen zu können, müssen Versicherer ihre Abwicklungsprozesse noch stärker digitalisieren, mobilisieren und automatisieren. Onlineportale bieten dabei eine ideale Schnittstelle, um die Interaktion mit Versicherten nahtlos an unternehmensinterne Prozesse anzubinden. Denn hier können Kunden ihre Verträge selbstständig an die momentane Lebenssituation anpassen, Schadenmeldungen eingeben und sich jederzeit mit Informationen aller Art versorgen. Umso erstaunlicher ist das Ergebnis einer aktuellen Marktanalyse von Sopra Steria , wonach die deutsche Versicherungsbranche das Vertriebspotenzial von Online-Kundenportalen derzeit noch weitgehend ungenutzt lässt.

Nur ein Bruchteil der befragten Versicherer schöpft die Möglichkeiten digitaler Kundenprotale zur individuellen Bedarfsanalyse und zur Platzierung von Cross-Selling-Angeboten aus. So haben bisher lediglich 21 Prozent der Studienteilnehmer ein Tracking-System in ihr Kundenportal integriert, um nachzuvollziehen, über welche Produkte sich die Kunden informieren. Und nur zwei Drittel von ihnen nutzen die gewonnenen Tracking-Informationen anschließend auch, um maßgeschneiderte Werbung oder Produktempfehlungen anzuzeigen.

Noch weniger, nämlich sieben Prozent der befragten Versicherungsunternehmen, bieten ihren Kunden via Portal die Möglichkeit, eine individuelle Bedarfsanalyse durchzuführen. Aber auch in diesen Fällen werden die Ergebnisse dem Kunden im Portal zwar angezeigt, nicht aber an unternehmensinterne Systeme weitergeleitet. Als möglicher Grund für die mangelnde Integration und gewinnbringende Weiterverarbeitung der im Portal generierten Informationen werden oftmals datenschutzrechtliche Hürden geltend gemacht. „Selbstverständlich müssen alle einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden – was aber durch Aufklärung und das Einholen des Kundeneinverständnisses ohne weiteres möglich ist. Aus vielen Studien wissen wir, dass sich immer mehr Kunden individuell zugeschnittene Angebote und Empfehlungen im Onlineportal wünschen“, erklärt Sven Brose, Principal Consultant Insurance bei Sopra Steria. Vertrauen durch ein Höchstmaß an Transparenz sei das A und O für den Ausbau von Onlineportalen zu einem universellen Kunden-Cockpit, das die digitale Interaktion zwischen Versicherten und Versicherern rund um Vertragsabschlüsse, Informationsbeschaffung und Kundenbetreuung bündelt.

Allerdings ist der klassische Vertrieb laut Studie bei vielen Assekuranzunternehmen nur unzureichend an das Kundenportal angebunden. In der Folge können Berater auch nicht auf den kompletten Informationspool zugreifen und die im Portal identifizierten Beratungs- und Cross-Selling-Chancen vollständig nutzen. Überdies sind vielen Beratern die entsprechenden Möglichkeiten heutiger Portaltechnologien noch nicht hinreichend bewusst. „Wie unsere aktuelle Analyse zeigt, verschenken Versicherer noch immer wertvolle Chancen, ihre Servicequalität zu verbessern, neue Kunden zu akquirieren und Bestandskunden enger zu binden. Im Wettbewerb kommt es jedoch verstärkt darauf an, das vertriebliche Potenzial digitaler Onlineportale so weit wie möglich auszuschöpfen, um die individuellen Bedürfnisse der Kunden noch genauer kennenzulernen und durch passende Angebote zu erfüllen“, resümiert Sven Brose. „Versicherung 4.0 muss das Bewusstsein von der ausschließlichen versicherungsfachlichen Betrachtung von Angeboten und Prozessen lösen und innovative Ansätze wie Context Based Services entwickeln.“

Über die Studie:
Sopra Steria untersuchte die Position einzelner Versicherungsunternehmen sowie der Branche insgesamt zu den vielfältigen Kundenansprüchen an Online-Kundenportale. 15 Gesellschaften und 57 Kunden nahmen an der Studie teil. Der Zugangslink zum elektronischen Fragebogen für die Kunden wurde auf verschiedenen Kanälen, auch in sozialen Netzwerken, bereitgestellt. Die Erhebung der Daten erfolgte im Juni und Juli 2015.

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