„Open Companies bedeuten nicht das Ende von Wettbewerb und Wertschöpfung, sondern eröffnen vielfältige Chancen für gemeinsamen Erfolg.“

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Nachgefragt bei Frédéric Munch, Vorstand von Sopra Steria, zum Thema „Open Company“

Wenn Unternehmen oder Verwaltungen in Deutschland kooperieren, wollen sie mehrheitlich Kosten sparen, beispielsweise bei Forschung und Entwicklung, beim effizienten Aufbau von Know-how oder im Vertrieb durch schnelleren Zugang zu Kunden. Das ergibt die Studie Managementkompass Survey Open Company. Strategisch machen sie damit doch alles richtig, oder?


Frédéric Munch: Sie machen einiges richtig, aber nicht alles. Effizienz ist zweifellos ein sich lohnender strategischer Pfad, den Unternehmen und Verwaltungen einschlagen können und sollten. Doch sollte das nicht ihr einziges Ziel sein. Zusammenarbeit sollte als Strategie immer mehrgleisig gedacht werden: als Weg zur Imageverbesserung, Stärkung der Reputation, Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, zum Erschließen neuer Märkte, Aufbau von Kompetenzen und Ressourcen sowie zur Beschleunigung von Produktentwicklungen. Kostenreduktion ist somit ein wichtiges Motiv von vielen.

Klassische Formen der Zusammenarbeit senken Kosten und ermöglichen den Wissensaustausch. Doch neuere Ansätze von Co-Creation können besonders fruchtbar sein, wenn Innovation und strategische Neuausrichtung im Fokus stehen. Und diese Form von Zusammenarbeit wird wichtiger.

 



 

Warum?


Frédéric Munch: Die zunehmenden Herausforderungen wie Cybercrime, Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Technologiesouveränität in Europa erfordern gemeinsame Anstrengungen. Sie wirken unternehmens-, branchen- und länderübergreifend. Ihre Komplexität bedingt die Notwendigkeit von interdisziplinären Ansätzen. Kooperative Wertschöpfung fördert zudem eine noch stärkere Ausrichtung auf Kunden und Bürger, denn sie schafft nahtlose Lösungen anstelle von Fragmentierung.

Ein Beispiel zur Abgrenzung der Co-Creation nach neuerem Verständnis von klassischen Kooperationen: Der Logistikkonzern DHL veranstaltet Innovationsworkshops, bei denen sich Kunden und Mitarbeitende austauschen. Aus dieser Zusammenarbeit sind innovative Ideen entstanden, wie der Parcelcopter, der Drohnen für Lieferungen in schwierigen Geländen und unter schlechten Wetterbedingungen nutzt. Laut Forbes führten die Co-Creation-Bemühungen von DHL zu einer Steigerung der Kundenzufriedenheit um mehr als 80 Prozent.

Diese Nähe zu Kunden oder auch Lieferanten ist wichtig, die Rollen bleiben allerdings unverändert. Künftig werden wir sehr viel häufiger etwas anderes erleben: Unternehmen, die heute in einer Kunde-Hersteller-Dienstleister-Beziehung stehen, werden miteinander statt füreinander Lösungen entwickeln und Geschäftsmodelle aus einem Guss kreieren. Die Wertschöpfungsketten von heute werden geöffnet und neue werden entstehen. Möglich machen das Technologien, indem sie kleinste Wertschöpfung durch Daten transparent machen und damit monetarisierbar.

Unternehmen in Deutschland kooperieren meistens punktuell, wenn wir auf die Studie schauen. Nach Projektende verfolgt jeder seine eigene Agenda  und baut die Ergebnisse in sein Geschäft ein. Kooperationen, bei denen Partner miteinander etwas komplett Neues entwickeln und sich Risiko und Erträge teilen, gibt es seltener. Wie lässt sich das ändern?


Frédéric Munch: Insbesondere im Kontext von Nachhaltigkeit und Kundenzentrierung gewinnen übergreifende Kooperationen an Bedeutung. Wie erwähnt, erleichtern automatisierte Prozesse und Datenverfügbarkeit zunehmend die Zusammenarbeit. Unternehmen wie auch Behörden erkennen, dass enge Partnerschaften Potenzial für transformative Lösungen bieten.

 



 

Dienstleister wie Banken integrieren sich beispielsweise in Kundenwertschöpfungsketten, um relevant zu bleiben. Die Consulting-Branche geht einen ähnlichen Weg. Bei MyDigitalCar, dem Joint Venture von Volkswagen Financial Services und Sopra Steria, investiert Sopra Steria eigenständig in die Plattform und betreibt sie nicht bloß im Auftrag eines Kunden. Die Partnerschaft zeigt, dass Branchengrenzen verschwimmen und neue Kooperationen  entstehen, denn die Plattform ist ja erst der Startpunkt für weitere Partner und Geschäftsmodelle, die sich mittelfristig an diesem Ökosystem für Mobilitätslösungen beteiligen.

 

An neuen Geschäftsmodellen tüfteln Unternehmen mehrheitlich lieber allein. Nur eine Minderheit will auf diese Weise neue Zielgruppen oder Märkte erreichen. Stattdessen geht es häufig um neue und bestehende Produkte und Dienstleistungen sowie das Tagesgeschäft, das besser werden soll. Gehören deutsche Firmen und Behörden eher zu den „Bewahrern“ und sind nicht offen genug für Neues?


Frédéric Munch: In der Tat unterscheidet sich die Innovationskultur in Deutschland von Regionen wie Skandinavien, den Beneluxstaaten und den USA. Das speziell in Deutschland bewährte Prinzip „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ gilt weiterhin, bedarf allerdings einer moderneren Auslegung. In Co-Creation-Partnerschaften blicken die Partner gemeinsam über den Tellerrand und übernehmen Verantwortung für das Endprodukt. Diese Form der Zusammenarbeit erfordert Flexibilität. Strategien, Prozesse, IT-Systeme sowie Organisationen müssen anpassbar sein.

Es ist schwer, die alten Denkmuster aufzubrechen. Auch Unternehmerinnen und Unternehmer oder Managerinnen und Manager benötigen Werkzeuge für ein strategisches Umdenken. Unsere Service-Design-Einheit EGGS Design setzt in konkreten strategischen Neuausrichtungsprojekten mit Kunden unter anderem auf ganz banale Instrumente wie Visualisierung. So können sich gestandene Entscheiderinnen und Entscheider, die vorher womöglich nie oder länger nicht kreativ gearbeitet haben, leichter vom Status quo lösen und Dinge neu denken.

Wie beeinflusst die Idee der „Open Company“ die traditionelle Vorstellung von Wettbewerb und Wertschöpfung in einer Wirtschaft, in der Unternehmen ihre Wertversprechen  gemeinsam einlösen und sich als gleichberechtigte Partner in Ökosystemen positionieren?

Frédéric Munch: In einer Open Economy, in der Unternehmen als Open Companies agieren, verändert sich die traditionelle Vorstellung von Wettbewerb und Wertschöpfung. Obwohl Daten und Codes für alle verfügbar sind und Kooperationen zunehmen, bleibt Wettbewerb bestehen, jedoch auf einer neuen Ebene.

Ein gutes Beispiel für die Veränderung von Wettbewerb und Wertschöpfung durch Open Companies ist Cloud Computing. Zunächst bestand die Sorge, dass Standardisierung die Einzigartigkeit mindern würde. Doch Cloud Computing hat gezeigt, dass Wettbewerb auf einer neuen Ebene stattfindet. Unternehmen können sich stärker auf Kunden und Kernkompetenzen konzentrieren, während sie sich in Ökosystemen vernetzen, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Dies verdeutlicht, dass Open Companies traditionellen Wettbewerb nicht ersetzen, sondern ihn durch Innovation und Kooperation bereichern.

Darüber hinaus zeichnen sich Open Companies durch das Einlösen von Wertversprechen aus. Sie positionieren sich nicht nur durch Produkte, sondern auch durch das Erreichen von Zielen wie Gesundheit, Mobilität oder Nachhaltigkeit. Um diese Versprechen zu erfüllen, arbeiten Unternehmen als gleichberechtigte Partner in Ökosystemen zusammen. So verschwimmen herkömmliche Wertschöpfungsketten zugunsten eines Miteinanders von Expertise und Ressourcen.

Die Folge: Der Wettbewerb verlagert sich auf die besten Lösungen. Open Companies fördern Innovation und Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen hinweg. Sie  bedeuten somit nicht das Ende von Wettbewerb und Wertschöpfung, sondern eröffnen vielfältige Chancen für gemeinsamen Erfolg.

Vielen Dank für das Gespräch!

Frédéric Munch ist Vorstand von Sopra Steria.

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